Bauteile ohne Markierung identifizieren

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Markierungsfreie Bauteilidentifikation von Fräswerkzeugen

Seit 2020 wurde am Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW) zusammen mit mehreren Projektpartnern im Rahmen einer AiF-Förderung an der markierungsfreien Bauteilidentifikation geforscht. Das Ziel des Projekts war der Transfer einer Methode aus dem Sonderforschungsbereich (SFB) 653 in die industrielle Serienfertigung. „Ein großer Aspekt der Forschung lag dabei auf der messtechnischen Erfassung der Oberfläche unter fertigungsnahen Bedingungen“ erklärt Projektmitarbeiter Hendrik Voelker vom IFW. Mit dem Ende des Forschungsprojekts konnte der Nachweis über die Funktionalität bei Industriepartnern erbracht werden.

Der deutsche Maschinen- und Anlagenbau kämpft seit Jahren gegen Rückläufer durch eine fehlerhafte Produktion und gegen Produktfälschungen von Dritten. Dabei betrug der monetäre Schaden durch Plagiate 2020 allein für deutsche Unternehmen 7,6 Milliarden Euro. Für die Rückverfolgung der Bauteile und damit zur Optimierung der Fertigung verwenden die Unternehmen oftmals aktive Markierungen (z.B. QR-Code, RFID-Tag, etc.), die auf die Oberfläche appliziert werden. Dabei entstehen zwei wesentliche Nachteile. Zum einen ist mindestens ein weiterer Prozessschritt in der Fertigung notwendig und zum anderen weisen die Markierungen eine unzureichende Fälschungssicherheit auf.

Ihre Oberfläche kann mehr!

Das Projekt am IFW will diesen Nachteilen mit der im SFB 653 entwickelten Methode entgegenwirken. Die innovative Methode der markierungsfreien Bauteilidentifikation nutzt die stochastischen Merkmale, die bei der spanenden Bearbeitung entstehen. Durch die Messung der Oberfläche mit einer hochauflösenden Industriekamera können die Merkmale aus einem 2D-Profil extrahiert werden. Dabei wird das 2D-Profil durch die kontinuierliche Wavelet-Transformation (CWT) in ein Lokalspektrum transferiert. Anschließend werden die Positionen der Frequenzen mit der höchsten Übereinstimmung aus dem Lokalspektrum identifiziert und als Merkmale definiert. „Die Anordnung der Merkmale ist dabei so einzigartig, dass Millionen von gleich produzierten Bauteilen unterschieden werden können“ ergänzt Hendrik Voelker. Im SFB 653 konnte die Methode anhand von 500 geschliffenen Werkstücken erfolgreich experimentell validiert werden. Im Laufe des Projekts am IFW konnte die Methode nun für weitere Fertigungsverfahren validiert werden.

Erfolgreiche Identifikation gefräster und gedrehter Oberflächen

Um das Projektziel zu erreichen wurde in einem ersten Schritt der Einsatz einer Industriekamera für die Oberflächenmessung qualifiziert. Die Industriekamera verfügt über eine hohe Wirtschaftlichkeit durch geringe Anschaffungskosten, einer geringen Taktzeit und ist einfach in die Fertigung zu integrieren. Mit der Industriekamera konnte neben dem Planschleifen zusätzlich das Außenrundschleifen, Außenlängsdrehen, Flankenfräsen und Stirnfräsen für die markierungsfreie Bauteilidentifikation qualifiziert werden. Durch den Einsatz einer definierten Schneide weisen gedrehte und gefräste Bauteile tendenziell einen geringeren Anteil stochastischer Einflussfaktoren und Merkmale auf als geschliffene Werkstücke. Trotzdem ist wie auch für Schleifprozesse eine Identifikationssicherheit von 1020 zu erreichen. Hierfür muss der Profilquerschnitt für die Identifikation angepasst werden. Der Profilquerschnitt bestimmt, welche Oberflächemerkmale für die Identifikation verwendet werden.

Um die Robustheit der markierungsfreien Bauteilidentifikation zu ermitteln wurde während des Projekts am IFW der Einfluss des mechanischen Verschleißes sowie der Korrosion ermittelt. Hierfür wurde neben experimentellen Versuchsreihen auch der Einfluss von z.B. Kratzern oder Kontaktverschleiß auf die Oberfläche ermittelt. Anschließend wurde mit der Charakterisierung die prozentuale Änderung eines 2D-Profils simuliert. Die simulierten Ergebnisse, wie auch die experimentellen Versuchsreihen konnten zeigen, dass eine Identifikation trotz einer Oberflächenänderung zwischen 35 - 45% noch möglich war. „Es konnte eine enorme Robustheit der Methode gegenüber externen Einflüssen festgestellt werden. Trotzdem bietet es sich an, keine Funktionsflächen für die Identifikation zu verwenden“ stellt Hendrik Voelker fest.

Erfolgreiche Validierung der markierungsfreien Bauteilidentifikation in der Industrie

„Insgesamt sehen wir ein großes Interesse aus der Industrie an dem Forschungsprojekt“ stellt Hendrik Voelker fest. Daher wurde in Kooperation mit mehreren Unternehmen die Einsatzfähigkeit der markierungsfreien Bauteilidentifikation in der Serienfertigung validiert. Dabei ist es gelungen, die Methode robust zum Einsatz zu bringen. „Durch das Projekt konnten die Anforderungen an die Messtechnik erforscht werden, was ergab, dass bereits vorhandene Messtechnik bei den Partnern verwendet werden kann, sodass einer Inbetriebnahme der Methode nichts mehr im Wege steht“ sagt Hendrik Voelker. Die Ergebnisse konnten dabei zeigen, dass die Robustheit in der Fertigung vom Messequipment abhängt. Es ist für die Inbetriebnahme der Methode zwingend notwendig, ein robustes Setup zu finden, was wiederholt Messungen mit gleicher Qualität zur Verfügung stellt.

Nach dem erfolgreichen Abschluss des Projekts wird in verschiedeen Kooperationen die Industrialisierung weiter vorangetrieben. Sollten auch Sie daran oder an weiteren Informationen Interesse haben, steht Ihnen Hendrik Voelker vom Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen unter der Telefonnummer +49 511 762 8078 oder per E-Mail unter voelker@ifw.uni-hannover.de gern zur Verfügung.