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Energieeffizient und ressourcenschonend: Thermoplastische Faserverbundkunststoffe

Energieeffizient und ressourcenschonend: Thermoplastische Faserverbundkunststoffe

© IFW
Versuchsstand zur Erforschung und Entwicklung von laserbasierten Thermoplast-AFP-Prozessen

Leicht und effizient: Thermoplastische Kunststoffe ermöglichen durch ihre besonderen Eigenschaften ressourcenschonende Fertigungsprozesse. Durch den Einsatz als Matrixwerkstoff im Bereich der faserverstärkten Kunststoffe (FVK) besteht die Möglichkeit, Leichtbaustrukturen unter Anwendung von Legetechnologien (engl. Automated Fiber Placement – AFP) energieeffizient herzustellen. Am Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW) der Leibniz Universität Hannover wird eine in-situ Fertigungsmethode für großflächige Luftfahrtstrukturen wie beispielsweise für Rumpf- oder Flügelkomponenten entwickelt und erforscht.

Die Vorteile der Substitution von metallischen Werkstoffen durch faserverstärkte Kunststoffe sind immens: Es lassen sich anisotrope Strukturen herstellen, deren Aufbau und Eigenschaften gezielt auf die individuellen Anforderungen angepasst werden können. Darüber hinaus zeigt der Wechsel von Metallstrukturen zu faserverstärkten Strukturen großes Leichtbaupotenzial und fördert damit zum Beispiel eine Reduzierung des Treibstoffverbrauchs sowie einhergehend eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes. Dementsprechend besteht in der Luft- und Raumfahrtindustrie großes Interesse an innovativen Fertigungsmethoden zur effizienten Realisierung von FVK-Leichtbaukonzepten.

Aktuell werden zu diesem Zweck überwiegend faserverstärkte Kunststoffe mit duroplastischen Matrixwerkstoffen verwendet. Ein Nachteil dieser Materialsysteme ist der wenig energieeffiziente Aushärteprozess, der unter Einbringen von Wärme und Druck in einem Autoklav stattfindet. Darüber hinaus stellen anschließende Montageprozesse, die zusätzliche Fügestellen wie Nietverbindungen erfordern, eine Schwächung der anisotropen Struktureigenschaften. „Mit thermoplastischen Kunststoffen als Matrixmaterial können wir den Autoklaven als Energiesenke vermeiden“, erläutert Projektmitarbeiter Christopher Schmitt. „Außerdem zeichnen sich Thermoplaste durch eine hohe Warmumformbarkeit, eine gute Schweißbarkeit sowie eine effizientere Recyclierbarkeit aus“, so Schmitt weiter.

Die Herstellung thermoplastischer FVK-Strukturen lässt sich mit unterschiedlichen Verfahren durchführen. Eine Möglichkeit stellt dabei das Ablegen von vorimprägnierten Halbzeugen dar (AFP). Dieses Verfahren kann zur direkten, autoklavfreien Produktion eingesetzt werden und wird dementsprechend als in-situ AFP bezeichnet.

Durch den Wegfall des Autoklavprozesses werden Energieeinsparungen und daraus resultierend wird eine Verbesserung der ökologischen Bilanz innerhalb der Produktion ermöglicht. Außerdem lassen thermoplastische Werkstoffe die Substitution der in der Montage überwiegend eingesetzten und kostenintensiven Nietverbindungen durch lastpfadgerechte Schweißverbindungen zu. Eine Wiederverwendbarkeit der Materialien durch ein effizientes Recycling ist bei thermoplastischen Materialen ebenfalls gegeben. Damit leistet das in-situ AFP einen wichtigen Beitrag zu einer wirtschaftlichen, energieeffizienten und ressourcenschonenden FVK-Leichtbauproduktion und ermöglicht einen nachhaltigen Produktlebenszyklus.

Das unter Federführung des IFW durchgeführte, EFRE-geförderte Projekt JoinTHIS hat das Ziel, eine solche in-situ Fertigungsmethode für großflächige FVK-Strukturen zum Einsatz in der Luftfahrtindustrie zu entwickeln und zu erforschen. Der technologische Ansatz sieht dabei vor, dass vorimprägnierte FVK-Tapes mit Hilfe eines Industrieroboters und einer modularen, skalierbaren Maschinentechnologie auf einem Formwerkzeug abgelegt und zu einem Laminat gefügt werden. Mit diesem Ansatz lassen sich generativ FVK-Strukturen in zweidimensionaler Form zur Weiterverarbeitung in einem Umformprozess oder dreidimensionale Formen mit anisotropen und auf die zuvor berechneten Lastfälle angepassten Struktureigenschaften herstellen.

Die zukünftige Legetechnologie wird dabei ein laserbasiertes Heizsystem für das Aufschmelzen der zu verschweißenden Kohlenstofffaser-Tapes nutzen. Als Heizquelle wird ein segmentierter Infrarotlaser mit einer Heizleistung von 2,4 kW genutzt, mit dem aktuell eine Heizrate von bis zu 1000 K/s im Fokuspunkt ermöglicht wird. Die Segmentierung der Laserquelle in zwölf einzeln ansteuerbare Dioden und das Ansprechverhalten von weniger als 50 ms sorgen für eine individuelle und schnelle Temperaturregelung einzelner Bereiche. Zusätzlich zu der Lasereinheit wird ein dem Prozess nachgeschaltetes Heizmodul eingesetzt, mit dem eine definierte Abkühlkurve eingestellt werden kann. Durch den Einsatz eines multivariaten Regelungsmodells werden die beiden Module miteinander gekoppelt. Die Kombination aus gezieltem Aufschmelzen und Abkühlen führt dann zu einer Minimierung der temperaturinduzierten Eigenspannungen sowie zu einer Verbesserung des für die mechanischen Eigenschaften essenziellen Kristallisationsgrades der thermoplastischen Matrix.

„Im ersten Schritt haben wir einen Versuchsstand für die Prozessentwicklung und -untersuchung in Betrieb genommen. Jetzt geht es darum, die Forschungsergebnisse im nächsten Schritt für die Umsetzung eines eigenentwickelten Legekopfes zu nutzen“, erläutert Projektmitarbeiter Maximilian Kaczemirzk. Mit der Inbetriebnahme des Prototypen-Versuchsstandes erweitert das IFW seine Kompetenzen im Bereich der Legetechnologie und deckt damit als Technologiepartner das gesamte Spektrum der duro- und thermoplastischen FVK-Legetechnologie ab.

Aufgrund der Flexibilität dieser Technologie lassen sich die Erkenntnisse und der im Projekt erarbeitete Wissensstand ausgehend von großflächigen Luftfahrtstrukturen auch auf andere Geschäftsfelder, wie z. B. die Automobilindustrie, übertragen und schaffen dabei Potenziale und Synergieeffekte für den Einsatz von innovativen Leichtbaukonzepten in unterschiedlichsten Industriezweigen.

Kontakt:

Als Ansprechpartner steht Ihnen Dr.-Ing. Carsten Schmidt, Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen, unter Telefon +49 4141 77638 11 oder per E-Mail unter schmidt_c@ifw.uni-hannover.de gerne zur Verfügung. Weitere Informationen sind außerdem unter www.hpcfk.de zu finden.