Randzoneneigenschaften prozesssicher definieren

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Über die Qualität eines Bauteils entscheiden dessen Randzoneneigenschaften. Diese prozesssicher und bauteilindividuell schon im Zerspanungsprozess zu definieren, ermöglicht die Fertigung von Bauteilen mit einer verfestigten Bauteilrandzone unter Beibehaltung eines duktilen Kerns. Das Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW) erforscht in Kooperation mit dem Institut für Werkstoffkunde (IW) an einer prozessbegleitende Softsensorik und einem lernfähigen Modell, um gezielt die Randzoneneigenschaft im Prozess einzustellen.

Das Einstellen von definierten Randzoneneigenschaften hochfester und duktiler Stähle beim Drehprozess stellt eine große Herausforderung dar. Bei diesen so genannten Transformation Induced Plasticity (TRIP) Stählen kann aufgrund einer mechanisch induzierten Gefügeumwandlung von Restaustenit zu Martensit ein hartes und verschleißfestes Gefüge hergestellt werden. Typischerweise wird eine geeignete Mikrostruktur durch Wärmebehandlungsprozesse erzeugt, bevor das Werkstück bearbeitet wird. Diese Prozesse sind jedoch zeit- und energieaufwändig und können zu Bauteilverzug führen. Daher wäre es von großem Vorteil, die gehärtete Randzone direkt bei der spanenden Bearbeitung einzustellen.

Wissenschaftler am Institut für Werkstoffkunde (IW) und am Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW) entwickeln ein lernfähiges Fertigungssystem, welches mittels einer zerstörungsfreien Prüfmethode, basierend auf der Wirbelstromtechnik, den Prozess überwacht und mit einer prozessbegleitenden Simulation die tatsächlichen Eingriffsbedingungen berechnet. Somit soll es möglich sein, durch die direkte Charakterisierung des Bauteils im Prozess eine harte, martensitische Randzone zu erzeugen. Gleichzeitig bleibt ein duktiler Werkstoffkern erhalten und das Bauteil zeigt eine besonders gute zyklische Belastbarkeit.

„Eine große Herausforderung ist, die entsprechenden Phasenumwandlungen bei der spanenden Bearbeitung durch Variation der Prozessstellgrößen herbeizuführen“, erläutert Projektmitarbeiter Hai Nam Nguyen. „Unsere experimentellen Untersuchungen zeigen, dass hohe mechanische Belastungen und niedrige Temperaturen sich positiv auf die Umwandlung auswirken.“ Im Projekt setzen die Wissenschaftler deswegen die kryogene Kühlung im Drehprozess ein und erhöhen durch Auswahl geeigneter Werkzeugmikrogeometrien die mechanische Belastung. Eine prozessparallele Materialabtragssimulation ermöglicht es zudem, die Eingriffsbedingungen während des Prozesses zu ermitteln. Anhand der daraus ermittelten Kenngrößen können Korrelationen mit dem umgewandelten Martensitgehalt ermittelt und somit zur Charakterisierung im Prozess genutzt werden.

Zur Charakterisierung der Randzonen für die Prozessüberwachung zeigt die Wirbelstromprüfung unter Berücksichtigung und Analyse der höherharmonischen Signalanteile ein besonders hohes Potenzial, um nach Korrelation mit den Gefügeeigenschaften eine entsprechende Softsensorik zu entwickeln. Die Wirbelstromtechnik ist ein Verfahren, das unter den zerstörungsfreien Prüftechniken eine besonders große Verbreitung findet. Neben dem klassischen Anwendungsfall – der Fehlerprüfung – ist es hiermit auch möglich, eine Charakterisierung des Werkstoffs, seines Zustands und seiner Eigenschaften vorzunehmen. Hierdurch ist eine einzigartige Kombination verschiedener Messgrößen möglich, die alle für den fertigungstechnischen Einsatz besonders interessant sind.

Das Forschungsvorhaben ist Teil des DFG geförderten Schwerpunktprogramms 2086 „Oberflächenkonditionierung in Zerspanprozessen“. Ziel der Arbeiten im Schwerpunktprogramm ist es, für Zerspanungsprozesse unter kombinierter Nutzung von in-process einsetzbarer Softsensorik und Prozesswissen in Form von Prozess-, Geometrie- und Werkstoffmodellen dynamische Vorsteuerungen bzw. -regelungen aufzubauen, die es gestatten, in metallischen Bauteilen gleichzeitig definierte Geometrien und Randschichtzustände einzustellen.

Kontakt:

 

Für weitere Informationen steht Ihnen M. Sc. Hai Nam Nguyen, Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen, unter Telefon +49 511 762 18320 oder per E-Mail unter nguyen@ifw.uni-hannover.de gern zur Verfügung.