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Mit Physiker Barkhausen zur optimalen Radsatzbearbeitung

Mit Physiker Barkhausen zur optimalen Radsatzbearbeitung

© Heiko Blech
Erfassung der Werkstückoberfläche mit einem Barkkhausensensor

Personalintensiv und ausschließlich auf Erfahrungswissen aufbauend: Die Wiederherstellung eines akkuraten Rundlaufs von Eisenbahnrädern hat noch großes Optimierungspotenzial. „Der Zustand der einzelnen Räder eines Radsatzes variiert durch Bremsvorgänge oder Fremdkörper auf den Schienen erheblich. Eine allgemeine Optimierung der Einstellgrößen beim Drehprozess ist deshalb nicht möglich“, erläutert Heiko Blech vom Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW) der Leibniz Universität Hannover. In seinem Projekt ProRad hat der Wissenschaftler in Zusammenarbeit mit der Firma QASS GmbH erforscht, wie ein Barkhausensensor zur Vermessung verschlissener Eisenbahnradlaufflächen eingesetzt werden kann. Blech hat die Messdaten genutzt, um angepasste Bearbeitungsparameter für jedes einzelne Rad zu bestimmen.

Eisenbahnräder unterliegen im Betrieb einer ständigen Dauerbelastung durch ihre Abrollbewegung auf den Schienen. Langfristig kommt es deshalb zu einer Verformung der Radlaufflächen. Außergewöhnliche Lastfälle - wie starke Bremsvorgänge oder Fremdkörper auf den Schienen - erzeugen weitere punktuelle Schäden, bei denen es auch zu Veränderung von Härte und Materialstruktur kommt. Um einen akkuraten Rundlauf wiederherzustellen, müssen Eisenbahnräder deshalb regelmäßig spanend bearbeitet werden.

Die beschriebenen Unregelmäßigkeiten am Rad beeinträchtigen jedoch die Prozesssicherheit des Drehprozesses. In Abhängigkeit von der Belastungshistorie jedes einzelnen Rades variiert der Zustand, sodass eine allgemeine Optimierung der Prozesseinstellgrößen nicht möglich ist. Um mit optimaler Produktivität zu arbeiten und gleichzeitig Werkzeugbruch zu vermeiden, hat der Maschinenbediener bisher nach einer Sichtkontrolle basierend auf seinem Erfahrungswissen entschieden, die Prozesseinstellgrößen bei Bedarf zu reduzieren. Da der Mitarbeiter außerdem den gesamten Prozessablauf überwacht, ist die Radsatzbearbeitung bisher ein sehr personalintensiver Prozess.

Im Projekt ProRad hat der IFW-Mitarbeiter Heiko Blech erforscht, wie eine Regelung und Überwachung des Drehprozesses automatisiert werden kann. Hierfür hat er eine Sensorik basierend auf dem physikalischen Effekt des Barkhausenrauschens eingesetzt, um die Eigenschaften des Werkstückes vor der Bearbeitung zu erfassen. Das sogenannte Barkhausenrauschen bezeichnet die in diskreten Sprüngen ablaufende Ummagnetisierung von Eisenwerkstoffen unter Einfluss eines äußeren Magnetfeldes. Die genaue Charakteristik der magnetischen Antwort gibt dabei Aufschluss über die Materialeigenschaften. Die Sensorentwicklung wurde vom Projektpartner QASS GmbH durchgeführt.

Blech: „In unseren Versuchen konnten wir zeigen, dass Fehlstellen auf der Oberfläche eines Werkstückes mithilfe der Barkhausensensorik detektiert werden können. Die Messdaten konnten wir nutzen, um Prozesseinstellgrößen für unterschiedliche Abschnitte von Werkstücken zu bestimmen.“  Bauteile, die ohne diese zustandsbasierte Parameteranpassung zu einem Werkzeugversagen geführt hätten, konnten so sicher bearbeitet werden. Die Reduktion von Geschwindigkeit und Vorschub für einen prozesssicheren Drehprozess erfolgt automatisiert ausschließlich in kritischen Bereichen des Werkstücks. Die Bearbeitung in fehlerfreien Werkstückbereichen erfolgt weiterhin mit intensiveren Parametern, sodass eine optimale Produktivität des Gesamtprozesses erreicht wird.

Das neue Verfahren soll nun im nächsten Schritt in der Praxis erprobt werden. Zum automatisierten Ablauf der Prozessoptimierung wird angestrebt, das System vollständig in die Radsatzdrehmaschine zu integrieren.

Kontakt:

Für weitere Informationen steht Ihnen Heiko Blech, Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen der Leibniz Universität Hannover, unter Telefon +49 511 762 19848 oder per E-Mail unter blech@ifw.uni-hannover.de gern zur Verfügung.