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60 Prozent Zeitersparnis mit neuem Assistenzsystem für die Arbeitsplanung in der Zerspanung

60 Prozent Zeitersparnis mit neuem Assistenzsystem für die Arbeitsplanung in der Zerspanung

Automatisierte Arbeitsplanung zur Beschleunigung der Angebotskalkulation

Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in der Lohn- und Auftragsfertigung stehen vor der Herausforderung, in einem sich ständig wandelnden Markt wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Komplexität von Bauteilen und die Notwendigkeit kleiner Losgrößen machen die Angebotskalkulation zu einer zeitraubenden Aufgabe. Die Reduzierung dieses zeitlichen Aufwandes war Gegenstand des Projekts "Automatisierte Bestimmung der Vorgabezeiten und der Arbeitsgangfolge unter Berücksichtigung technologischer Zwangsfolgen" (AutoPlan). In Zusammenarbeit mit der Point 8 GmbH hat das Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW) ein KI-gestütztes Assistenzsystem zur Beschleunigung der Arbeitsplanung entwickelt.

Seit den 90er Jahren verzeichnet die Industrie einen Trend zu kürzeren Produktlebenszyklen und einer steigenden Nachfrage nach maßgeschneiderten Produkten. Dies resultiert in kleineren Losgrößen und einer wachsenden Vielfalt von Fertigungsabläufen. Die Anzahl der zu erstellenden Angebote steigt entsprechend, wobei der Vertrieb in der Regel zeitaufwändig damit beschäftigt ist. Nur ein kleiner Teil dieser Angebote wird tatsächlich in Aufträge umgewandelt. Besonders bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) wird beobachtet, dass die nicht-wertschöpfende Tätigkeit der Angebotserstellung vermehrt Ressourcen bindet. Um die Wettbewerbsfähigkeit der produzierenden Unternehmen zu steigern, sind präzise und schnelle Methoden zur Angebotserstellung erforderlich.

Eine Marktrecherche offenbart, dass eine transparente Angebotskalkulation für komplexe zu zerspanende Werkstücke unter Beachtung unternehmensindividueller Arbeitspläne bisher nicht zur Verfügung steht. Diese Problemstellung war Motivation im Projekt AutoPlan, das durch das zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) gefördert wurde. „Wir haben es uns zum Ziel gesetzt, 60 Prozent der benötigten Zeit für die Arbeitsplanerstellung einzusparen“, erläutert IFW-Mitarbeiter Simon Settnik.

Projektschwerpunkt war die Entwicklung  eines Assistenzsystems zur automatisierten Arbeitsplanerstellung aus technischen Zeichnungen für spanende Fertigungsprozesse. Umgesetzt wurde eine Web-Applikation, über die technische Zeichnungen, 3D-Modelle und Textdokumente lokal verarbeitet werden und die den resultierenden Arbeitsplan darstellt. Hierbei werden zunächst Informationen aus den Bauteilzeichnungen in maschinenlesbarer Form mittels Symbol- und Texterkennung ausgelesen. Zusätzlich ist ein Large Language Model (LLM) implementiert, das auf Fragen zu den Textdokumenten interaktiv Auskunft gibt.

Mit einem Clusteringverfahren konnten Gruppen gefertigter Aufträge mit ähnlichen Eigenschaften und resultierenden Fertigungsabläufen gebildet werden. Dieses Verfahren ermöglicht eine erste Einordnung in Preiskategorien.

In der Folge werden KI-gestützte Entscheidungsbäume eingesetzt, die automatisiert die Festlegung der benötigten Arbeitsschritte vornehmen und Ressourcen (Maschinen, Werkzeug, Personal) zuordnen. Ein entscheidender Vorteil des Einsatzes von Entscheidungsbäumen ist Transparenz. Die RuleFit-Bibliothek in Python ermöglicht die textbasierte Ausgabe der genutzten Entscheidungsregeln. Somit können die Nutzenden die Prozess- und Ressourcenauswahl nachvollziehen und sogar editieren.

Für die gemäß des Grobarbeitsplans benötigten Fertigungsprozesse werden im Folgenden die Rüst- und Bearbeitungszeiten mittels auf die Regression ausgelegter Random-Forest-Modelle prognostiziert. Hierfür werden die Methoden zuvor mithilfe von Rückmeldedaten durch Betriebsdatenerfassung unternehmensspezifisch trainiert. Bei entsprechender Datengrundlage von mindestens 150 Datenpunkten je Prozess ist es eine Prognosegüte von über 95 % erreichbar.

Der automatisiert ermittelte Arbeitsplan kann anschießend durch den Vertrieb oder die Arbeitsplanung freigegeben werden und dient später als Grundlage für die Kalkulation. Durch die schnell bereitgestellten Informationen können sich die Mitarbeitenden auf ihre Kernkompetenzen fokussieren. Hierzu zählen z. B. die Identifikation und Bewertung kostenintensiver Prozesse und Features, die nicht automatisiert sicher kalkuliert werden können, und der Kundenkontakt. Insgesamt kann der Angebotsprozess auf diese Weise um bis zu 60 % beschleunigt werden.

Die Methoden des Assistenzsystems werden durch die Point 8 GmbH bereits kommerziell genutzt. Das IFW wird in Folgeprojekten die Integration der automatisierten Arbeitsplanung in einen übergeordneten Datenraum vorantreiben.

 

Kontakt:

Sie haben Interesse an einer Potenzialanalyse für Ihren Anwendungsfall? Dann wenden Sie sich gerne an Herrn Simon Settnik, Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen der Leibniz Universität Hannover, unter Telefon +49 511 762 18352 oder per E-Mail (settnik@ifw.uni-hannover.de).