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Mit neuer Methodik in der Prozessplanung zur fehlerfreien Individualfertigung ab Losgröße 1

Mit neuer Methodik in der Prozessplanung zur fehlerfreien Individualfertigung ab Losgröße 1

Überwachungsgrenzwertbildung durch Strommodellierung bei der Komplettbearbeitung

Neu gestartet: Das Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW) entwickelt im DFG-Projekt "Entwicklung einer Methode zur Bestimmung adaptiver Überwachungsgrenzen in der Prozessplanung unter Berücksichtigung von Maßtoleranzen und der Prognosegüte" (EmSim) eine neue Methodik für die Individualfertigung. Sie soll eine fehlerfreie Produktion ab dem ersten Bauteil gewährleisten. Untersucht wird, wie eine simulationsbasierte Überwachungsmethodik für die Einzelteilfertigung konzipiert werden kann, die Maßtoleranzen, Bauteilgeometrien und Bearbeitungsoperationen angemessen berücksichtigt.

Die Automatisierung von Produktionsanlagen wird u. a. maßgeblich durch die Implementierung einer Prozessüberwachung (PÜ) vorangetrieben. Besonders essenziell sind dabei PÜ-Systeme, die eine fehlerfreie Fertigung bereits ab dem ersten Bauteil anstreben, um eine hochgradig automatisierte Individualfertigung zu ermöglichen.

Gegenwärtige Überwachungssysteme sind vorrangig für die Serienfertigung konzipiert und setzen dabei auf direkte oder indirekte (Mess)-Signale aus vorangegangenen Prozessen. „Diese Systeme müssen aufwendig parametriert werden, um Prozessfehler zu detektieren “, erläutert Projektmitarbeiter Martin Winkler. Insbesondere für störanfällige Prozesse wie Bohren, Dreheinstechen und Eintauchfräsen bieten diese Systeme aufgrund von steigendem Reibanteil, Spanklemmern und der daraus resultierenden Wärmeentwicklung keine sichere Überwachung.

Das IFW entwickelt deshalb im Projekt EmSim eine simulationsbasierte Methode zur prädiktiven Generierung von PÜ-Grenzen in der Prozessplanung unter Berücksichtigung von Maßtoleranzen, Bauteilgeometrien und Bearbeitungsoperationen. Um das Ziel zu erreichen, werden für individuelle Einzelteile und Maßtoleranzen spezifische Abtragssimulationen, Antriebs- und Spindelstrommodellierungen und die Generierung von Überwachungsgrenzen für kritische und unkritische Prozessfälle untersucht.

Grundlage für das Projekt ist die  Nutzung der hauseigenen Materialabtragssimulationssoftware IFW CutS, die an die Anwendungsfälle angepasst wird. Untersucht werden Drehprozesse sowie Bohr- und Fräsprozesse.  Für eine zielführende Überwachung dieser Prozesse werden die Spindel- und Antriebsströme der Maschinenachsen einer Werkzeugmaschine verwendet. Diese müssen zuverlässig während des Prozesses durch die PÜ prognostiziert werden. Zusätzlich sollen die PÜ-Grenzen festgelegt und adaptiert werden. Wissenschaftler Winkler: „Die Festlegung der Prozessüberwachungsgrenzen ist eine Herausforderung. Zu enge Grenzen können dazu führen, dass ein fehlerfreier Prozess als Fehler erkannt wird. Zu weite Grenzen laufen Gefahr, tatsächlich vorliegende Fehler nicht zu detektieren.“

Die Breite der Überwachungsgrenzen hängt maßgeblich davon ab, ob ein kritischer oder nicht kritischer Prozess vorliegt und wie grob oder fein die Toleranzvorgaben für die zu bearbeitende Bauteilgeometrie sind. Aus diesem Grund wird in EmSim ein Algorithmus zur Erkennung von kritischen und unkritischen Fertigungsoperationen entwickelt. Je nach Kombination aus Prozessart und Toleranz werden empirische oder empirisch-numerische Modelle zur Festlegung der Überwachungsgrenzen verwendet. Empirisch-numerische Modelle verwenden zur Vorhersage zusätzlich zu den Maschinendaten lokale Schnittgrößen, die simulativ in IFW CutS berechnet werden.

Zur Erstellung von empirischen und empirisch-numerischen Modellen zur KI-gestützten Prognose der Spindel- und Achsströme und zur Adaption der Überwachungsgrenzen werden zahlreiche Zerspanversuche durchgeführt. Dabei werden Maschinendaten und lokale Schnittgrößen, die simulativ in IFW CutS berechnet werden, aufgenommen und in Prognosemodelle überführt.

 „Final wollen wir alle geprüften und erforschten Einzelmethoden in einem Gesamtsystem zusammenführen“, so Winkler. Durch die Fertigung unterschiedlicher realer Bauteile aus der Automobilindustrie, eine Getriebewelle und ein Anschlussflansch, wird das Gesamtsystem validiert und optimiert. Der Wissenschaftler strebt dabei  eine Ausschussquote von < 1 % an. Abschließen wird das Projekt EmSim mit einer Bewertung des Gesamtsystems im Vergleich zu zwei bereits bestehenden Verfahren.

Auch in stark regulierten Umfeldern der Medizintechnik und der Luftfahrtindustrie könnte das neue System zum Einsatz kommen. Winkler: „Die von uns entwickelte und erforschte Methodik der Prozessüberwachung könnte zukünftig für die Branchen interessant sein, um deren hohen Qualitätsanforderungen zu gewährleisten.“

 

Kontakt:

Für weitere Informationen steht Ihnen Martin Winkler, Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen der Leibniz Universität Hannover, unter Telefon +49 511 762 4991 oder per E-Mail (winkler@ifw.uni-hannover.de) gern zur Verfügung.