Sauerstofffreie Titanzerspanung erhöht Bauteillebensdauer

Inertgaszufuhr zur Reduzierung des Sauerstoffgehalts

Wie lässt sich eine sauerstofffreie Zerspanung realisieren und welche Vorteile bietet sie? Dies sind Fragen, die das Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW) im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 1368 „Sauerstoffreie Produktion“ beantworten will. „Unsere Untersuchungen bei der sauerstofffreien Titanzerspanung zeigen, dass dadurch ein ressourcenschonenderes Recycling der Späne ermöglicht wird und Bauteile eine höhere Lebensdauer aufweisen“, erläutert Projektmitarbeiter Florian Schaper.

Der Werkstoff Titan ist aufgrund seines Eigenschaftsprofils höchst attraktiv für eine Vielzahl an technischen Anwendungen. In der Produktion von Bauteilen aus Titan nimmt die spanende Bearbeitung einen hohen Stellenwert ein. Dabei führen die positiven Materialeigenschaften der Anwendung zu einer erschwerten Zerspanbarkeit in der Produktion. Insbesondere die niedrige thermische Leitfähigkeit und die hohe chemische Affinität gegenüber Sauerstoff führen zu einer hohen thermischen und chemischen Beanspruchung von Werkstoff und Werkzeug. Schaper: „Dies sind wesentliche Gründe, eine sauerstofffreie Titanzerspanung zu untersuchen.“

„Bekannt ist, dass der Sauerstoff die Zerspanung beeinflusst und Oxidationsverschleiß an den Zerspanwerkzeugen auftreten kann. Nicht bekannt ist jedoch, wie der Einfluss des Sauerstoffs zu quantifizieren ist und unter welchen Randbedingungen die entsprechenden Wechselwirkungen mit Schneidstoff und Werkstoff auftreten“, so Schaper weiter. s Um eine sauerstofffreie Titanzerspanung zu erreichen, verwendet der Wissenschaftler ein Gasgemisch aus Argon und Silan in einer speziellen Prozesskammer innerhalb einer Dreh- und Fräsmaschine. Das Inertgas Argon verdrängt den Luftsauerstoff und reduziert den Sauerstoffgehalt damit signifikant. Silan reagiert mit dem restlichen atmosphärischen Sauerstoff zu Siliziumdioxid, wodurch eine Atmosphäre geschaffen wird, die hinsichtlich des Sauerstoffgehalts einem extrem hohen Vakuum (XHV) entspricht. Ein solch hohes Vakuum herrscht im interstellaren Raum, sodass sich ein Sauerstoffmolekül in einem Volumen von 1 cm³ befindet.

Die Projektmitarbeitenden konnten ermitteln, dass der Sauerstoffgehalt den Oxidationsverschleiß direkt beeinflusst. Schaper: „Insbesondere bei hohen Schnittgeschwindigkeiten kann durch die Abwesenheit des Sauerstoffs eine signifikante Reduzierung des Oxidationsverschleißes und somit auch des Gesamtverschleißes erzielt werden.“ Aber auch bei niedrigen Schnittgeschwindigkeiten wechselwirkt der Sauerstoff in starkem Maße mit dem Prozess. Die für die Titanzerspanung typische Scherspanbildung konnte unter sauerstofffreier Atmosphäre stark homogenisiert werden. Damit gehen niedrigere Kontaktzonentemperaturen sowie geringe Prozesskräfte einher.

Aber auch Späne und Werkstückrandzonen werden durch die Abwesenheit des Sauerstoffs stark beeinflusst. So weisen in sauerstofffreier Atmosphäre erzeugte Späne einen signifikant niedrigeren Sauerstoffgehalt auf, sodass diese für ressourcenschonendes Recycling verwendet werden können. In sauerstofffreier Atmosphäre bearbeitete Werkstücke weisen zudem im Vergleich zu Bauteilen, die herkömmlich in Luft gefertigt werden, deutlich höhere Druckeigenspannungen auf. Dies bietet damit das Potenzial, dass zyklisch beanspruchte Bauteile eine höhere Lebensdauer aufweisen, sofern diese in sauerstofffreier Atmosphäre gefertigt werden.

 

Kontakt:

Für weitere Informationen steht Ihnen Florian Schaper, Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen der Leibniz Universität Hannover, unter Telefon +49 (0) 511 - 18337 oder per E-Mail (schaper@ifw.uni-hannover.de) gern zur Verfügung.